Auswirkungen der vegetarischen und veganen Ernährung auf die Darmgesundheit
- Pia Brinkmann
- 4. Juli 2024
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 7. Dez. 2024
In diesem Artikel möchte ich dir die Ergebnisse einer umfangreichen englischsprachigen Studie [1] vorstellen, die ich durchgelesen, zusammengefasst und vereinfacht dargestellt habe. Diese Studie befasst sich mit der Frage, wie unsere Ernährung die Zusammensetzung der Darmmikrobiota beeinflusst und welche Auswirkungen dies auf unsere Gesundheit haben kann.
Im Anschluss an die Zusammenfassung der Studienergebnisse habe ich meine eigenen Schlussfolgerungen gezogen und einige praktische Empfehlungen für dich formuliert.
Diese sollen dir dabei helfen, deine Ernährung zu optimieren und deine Darmgesundheit zu fördern.

Inhaltsverzeichnis
1. Die menschliche Darmmikrobiota

Die menschliche Darmmikrobiota bildet eine große und komplexe Gemeinschaft aus vielen Mitbewohnern, wie beispielsweise Bakterien, Viren, Pilzen, Protozoen und Archaeen [2]. Insgesamt wurden bereits über 1000 verschiedene Bakterienarten im menschlichen Mikrobiom identifiziert, von denen jedoch viele unkultiviert bleiben. Innerhalb eines individuellen Menschen, z.B. in deinem Darm, befinden sich etwa 160 verschiedene Bakterienarten [3].
Im Vergleich zum Genom sind Menschen untereinander zu 99,9% identisch [4]. Jedoch kann das Mikrobiom von zwei verschiedenen Personen 80 bis 90% unterschiedlich sein [5].
2. Ein Ungleichgewicht der Darmmikrobiota kann langfristig zu verschiedenen Erkrankungen führen
Ein Ungleichgewicht der Darmmikrobiota steht im Zusammenhang mit verschiedensten Erkrankungen [5–13], unter anderem gastrointestinalen Erkrankungen, also Erkrankungen, die den Verdauungstrakt betreffen. Zu diesen zählen:
- Reflux
- Magengeschwüre
- Reizdarmsyndrom
- Nicht-alkoholische Steatohepatitis
- Entzündliche Darmerkrankungen
Hinzu kommen weitere Erkrankungen, die im Zusammenhang von ungünstigen Veränderungen der Darmmikrobiota-Zusammensetzung stehen. Zu diesen zählen:
- Adipositas
- Atherosklerose
- Typ-2-Diabetes
- Krebs
- Alzheimer
- Parkinson
Die aktuelle Studienlage deutet darauf hin, dass die Ernährung einen erheblichen Einfluss auf die Zusammensetzung der Darmmikrobiota hat [14,15].
Unterschiedliche Ernährungsweisen, die dauerhaft durchgeführt werden, beispielsweise eine vegetarische, vegane oder mischköstliche Lebensweise haben einen starken Einfluss auf die Mikrobiota. Je nachdem, was gegessen wird, produziert die Mikrobiota verschiedene Stoffe, die als Postbiotika bezeichnet werden. Beispielsweise sind kurzkettige Fettsäuren, Phytoöstrogene oder Isothiocyanate, die sich positiv auf unsere Darmgesundheit auswirken können, eher mit einer pflanzlichen Kost verbunden. Dagegen sind TMAO und sekundäre Gallensäuren, die sich negativ auf unsere Darmgesundheit auswirken können, eher mit einer fleischhaltigen Ernährung verbunden.
Eine pflanzliche Ernährung scheint für die menschliche Gesundheit von Vorteil zu sein, indem sie die Entwicklung einer vielfältigeren Darmmikrobiota fördert [16,17].
3. Einfluss von Kohlenhydraten auf die Darmmikrobiota

Im Gegensatz zu den Kohlenhydraten, die unser Körper leicht verdauen kann, gibt es auch solche, die nicht verdaut werden können. Diese nennt man Ballaststoffe. Diese gelangen in den Dickdarm, wo sie von den Darmbakterien fermentiert werden. Dabei entsteht Energie oder es werden nützliche Postbiotika produziert.
Sowohl verdauliche als auch nicht verdauliche Kohlenhydrate haben einen Einfluss auf unsere Darmmikrobiota. Studien zeigen, dass verdauliche Kohlenhydrate aus Früchten, wie Glukose, Saccharose und Fruktose, bestimmte Bakterienarten wie Bacteroides und Clostridia verringern können.
Auf der anderen Seite fördern nicht verdauliche Kohlenhydrate vor allem das Wachstum von Milchsäurebakterien, Ruminococcus, E. rectale und Roseburia. Sie können jedoch auch dazu beitragen, die Anzahl von Clostridium- und Enterococcus-Bakterien zu reduzieren.
Interessanterweise wurde auch festgestellt, dass sowohl verdauliche als auch nicht verdauliche Kohlenhydrate die Menge an Bifidobakterien erhöhen können. Diese gehören zur Gruppe der Actinobacteria und sind wichtig für eine gesunde Darmflora [18].
4. Einfluss von Proteinen auf die Darmmikrobiota

Viele Studien haben gezeigt, dass der Konsum von Proteinen mit einer größeren Vielfalt an nützlichen Bakterien im Darm verbunden ist [18]. Dabei gibt es Unterschiede zwischen tierischen und pflanzlichen Proteinen, wie sie die Darmmikrobiota beeinflussen.
Menschen, die viel tierisches Protein aus fettreichem Rindfleisch essen, haben oft weniger von bestimmten Bakterienarten wie Roseburia, Eubacterium rectale und Ruminococcus bromii. Diese Bakterien sind wichtig, weil sie pflanzliche Polysaccharide, also komplexe Kohlenhydrate aus Pflanzen, verstoffwechseln [19].
Auf der anderen Seite nimmt bei einer Ernährung, die reich an tierischem Protein ist, die Anzahl von Bakterien, wie Bacteroides und Clostridia, zu [20]. Dies ist anders als bei Menschen, die kein Fleisch essen. Eine proteinreiche Ernährung schränkt oft die Aufnahme von Kohlenhydraten ein, was wiederum die Menge der Butyrat-produzierenden Bakterien verringert. Butyrat ist wichtig für die Darmgesundheit, und ein Mangel daran kann zu Entzündungen und einem erhöhten Risiko für Darmkrebs führen [21].
Wer hingegen pflanzliches Protein, wie zum Beispiel aus Erbsen, zu sich nimmt, kann einen Anstieg der nützlichen Bakterien wie Bifidobacterium und Lactobacillus beobachten. Gleichzeitig nehmen schädliche Bakterien wie Bacteroides fragilis und Clostridium perfringens ab, was zu höheren Spiegeln an kurzkettigen Fettsäuren (SCFA), wie Butyrat, im Darm führt. Diese SCFAs sind gut für die Darmgesundheit [18].
Interessanterweise wird der Konsum von pflanzlichen Proteinen auch mit einer geringeren Sterblichkeit verglichen mit dem Konsum von tierischen Proteinen in Verbindung gebracht [18].
5. Einfluss von Fetten auf die Darmmikrobiota

Aktuelle Studien zeigen, dass sowohl die Menge als auch die Art des Fettes, das wir essen, die Zusammensetzung der Darmmikrobiota stark beeinflussen können [21].
Eine pflanzliche Ernährung ist in der Regel fettarm, was förderlich für nützliche Bifidobakterien im Darm ist. Die Fette, die in einer veganen oder vegetarischen Ernährung vorkommen, bestehen hauptsächlich aus einfach und mehrfach ungesättigten Fetten. Diese Fette erhöhen das Verhältnis von Bacteroidetes zu Firmicutes und fördern das Wachstum von Milchsäurebakterien, Bifidobakterien und Akkermansia muciniphila [18]. Nüsse, besonders Walnüsse, sind ebenfalls vorteilhaft für die Darmflora, da sie die Anzahl von Ruminococcaceae und Bifidobakterien erhöhen und schädliche Clostridium-Arten verringern [22].
Im Gegensatz dazu erhöht gesättigtes Fett, das hauptsächlich in tierischen Produkten vorkommt, die Anzahl von Bilophila und Faecalibacterium prausnitzii, während es die Menge an Bifidobakterien verringert [18]. Diese Veränderungen können Entzündungen im Körper fördern, indem sie pro-inflammatorische Zytokine wie IL-1, IL-6 und TNF-α aktivieren, was zu Stoffwechselstörungen führen kann [23]. Eine Ernährung, die reich an gesättigten und Transfettsäuren ist, wie sie oft in der westlichen Ernährung vorkommt, erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Sie reduziert nützliche Bakterien wie Bacteroidetes, Bacteroides, Prevotella, Lactobacillus und Bifidobacterium und erhöht die Anzahl von Firmicutes [24,25].
Andererseits haben mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäuren entweder keine negativen Auswirkungen auf die Darmflora oder fördern sogar das Wachstum von vorteilhaften Bakterien wie Bifidobacterium, Adlercreutzia, Lactobacillus, Streptococcus, Desulfovibrio und Verrucomicrobia (zu denen Akkermansia muciniphila gehört) [18,25].
6. Meine Schlussfolgerungen aus diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen
Die Zusammensetzung der Darmmikrobiota wird stark von unserer Ernährung beeinflusst.
Eine pflanzenbetonte Ernährung kann die Darmmikrobiota und somit die Darmgesundheit positiv beeinflussen.
Eine stark fleischlastige Ernährung kann die Darmmikrobiota und somit die Darmgesundheit negativ beeinflussen.
Jedoch muss ich betonen, dass aus dieser zusammenfassenden Studie nicht hervorging, um welche Mengen an konsumiertem Fleisch es sich handelte.
Die Rede war von einer „typisch“ westlichen Ernährung. Dies entspricht einem durchschnittlichem Fleischkonsum von ca. 60 kg Fleisch pro Person pro Jahr. Also etwas mehr als 1 kg Fleisch pro Person pro Woche [26].
Die deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt aktuell nicht mehr als 300 g Fleisch und Wurst pro Woche zu essen [27].
7. Meine Empfehlungen für die Förderung deiner Darmgesundheit
Fleischkonsum bewusst machen: Mache dir bewusst, wie viel Fleisch du aktuell im Durchschnitt pro Woche isst.
Neue Rezepte ausprobieren: Probiere neue pflanzliche Rezepte aus, die lecker und nahrhaft sind. Auf meinem Blog findest du zahlreiche Ideen, die einfach zuzubereiten sind und dir dabei helfen, mehr pflanzliche Lebensmittel in deine Ernährung zu integrieren.
Flexitarisch ist ein guter Anfang: Auch wenn du ab und zu Fleisch isst, dich also flexitarisch ernährst, bedeutet das nicht automatisch, dass du wenig Pflanzen essen musst.
Mahlzeiten planen: Plane deine Mahlzeiten im Voraus und integriere dabei mehr pflanzliche Proteinquellen wie Hülsenfrüchte, Tofu, Tempeh, Nüsse und Samen. Dies hilft dir, den Fleischkonsum zu reduzieren und gleichzeitig eine ausgewogene Ernährung zu gewährleisten.
Bunt und vielfältig essen: Achte darauf, dass dein Teller immer bunt und vielfältig ist. Je mehr verschiedene Farben und Lebensmittelgruppen du integrierst, desto mehr Nährstoffe nimmst du auf und desto abwechslungsreicher ist deine Ernährung.
Gesunde Fette integrieren: Integriere mehr gesunde Fette aus pflanzlichen Quellen wie Avocados, Nüssen, Samen und Olivenöl. Diese Fette sind nicht nur gut für dein Herz, sondern fördern auch eine gesunde Darmmikrobiota.
Flexibel und realistisch bleiben: Setze dir realistische Ziele und sei flexibel. Es ist okay, kleine Schritte zu machen und gelegentlich Fleisch zu essen. Jeder Schritt in Richtung einer pflanzenbetonteren Ernährung ist ein Fortschritt für deine Gesundheit und die Umwelt.
Indem du diese Empfehlungen befolgst, kannst du deinen Fleischkonsum reduzieren und gleichzeitig deine Darmgesundheit und dein allgemeines Wohlbefinden verbessern.
Quellen:
1. Tomova, A. et al. The Effects of Vegetarian and Vegan Diets on Gut Microbiota. Front. Nutr. 6, 47 (2019).
2. Sender, R., Fuchs, S. & Milo, R. Revised Estimates for the Number of Human and Bacteria Cells in the Body. PLoS Biol. 14, e1002533 (2016).
3. Rajilić-Stojanović, M. & de Vos, W. M. The first 1000 cultured species of the human gastrointestinal microbiota. Fems Microbiol. Rev. 38, 996–1047 (2014).
4. Wheeler, D. A. et al. The complete genome of an individual by massively parallel DNA sequencing. Nature452, 872–876 (2008).
5. Turnbaugh, P. J. et al. A core gut microbiome in obese and lean twins. Nature 457, 480–484 (2009).
6. Larsen, N. et al. Gut Microbiota in Human Adults with Type 2 Diabetes Differs from Non-Diabetic Adults. PLoS ONE 5, e9085 (2010).
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22. Bamberger, C. et al. A Walnut-Enriched Diet Affects Gut Microbiome in Healthy Caucasian Subjects: A Randomized, Controlled Trial. Nutrients 10, 244 (2018).
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24. De Filippo, C. et al. Impact of diet in shaping gut microbiota revealed by a comparative study in children from Europe and rural Africa. Proc. Natl. Acad. Sci. U. S. A. 107, 14691–14696 (2010).
25. Coelho, O. G. L., Cândido, F. G. & Alfenas, R. de C. G. Dietary fat and gut microbiota: mechanisms involved in obesity control. Crit. Rev. Food Sci. Nutr. 59, 3045–3053 (2019).
26. Fleischkonsum weltweit: Alltagsessen und Luxusgut. https://www.boell.de/de/2021/01/06/fleischkonsum-weltweit-alltagsessen-und-luxusgut.
27. Lebensmittelbezogene Ernährungsempfehlungen der DGE. DGE http://www.dge.de/gesunde-ernaehrung/faq/lebensmittelbezogene-ernaehrungsempfehlungen-dge/.
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